Zivilgesellschaft

Zivilgesellschaft

Was ist Zivilgesellschaft? Beziehungsweise, was verstehen wir bei WONOS darunter? Gibt es überhaupt „die“ Zivilgesellschaft? Den einschlägigen und aktuellen Veröffentlichungen in der gerade soziologischen und politikwissenschaftlichen Literatur folgend, wollen wir hier einen kurzen Umriss des Begriffs aufzeichnen und verständlich machen,

  1. wie sich Zivilgesellschaft definieren lässt,
  2. weshalb Zivilgesellschaft in einer Demokratie so wichtig ist und
  3. was wir bei WONOS unter Zivilgesellschaft verstehen.

1. Zivilgesellschaft — eine Definition

Wenn man sich dem Begriff der Zivilgesellschaft annähert, tauchen einige Merkmale in den vielfältigen Definitionen immer wieder auf. Man kann zivilgesellschaftliches Engagement ganz grob als alle diejenigen Aktivitäten zusammenfassen, die

  • freiwillig
  • unentgeltlich
  • nicht profitorientiert
  • gemeinschaftlich
  • mit Bezug zum Gemeinwohl
  • im öffentlichen Raum

geleistet werden. Der Begriff der Zivilgesellschaft selbst beschreibt heutzutage in der Regel einen gesellschaftlichen Bereich, der zwischen dem staatlichen, dem wirtschaftlichen und dem privaten Bereich angesiedelt ist und mit diesen anderen Bereichen im Austausch steht. Dem Lexikon der Entwicklungspolitik nach ist es in der Politikwissenschaft weitgehender Konsens, dass die Zivilgesellschaft als Komponente neben den Kräften des Staates und des Marktes unabdingbar ist, um eine offene, demokratische Gesellschaft aus engagierten Bürgern zu ermöglichen. Sie ist gewissermaßen der Unterbau der politischen Öffentlichkeit und hat den Auftrag dahingehend auf die politische Kommunikation und Meinungsbildung einzuwirken, dass diese weder der Domäne des Staates noch des Marktes vollständig überlassen wird.

Früher waren Begriffe wie Dritter Sektor, Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs), Non-Profit-Organisationen (NPOs) und diverse andere geläufig, heute bezeichnen lediglich die ersten beiden noch so etwas wie den professionalisierten und organisierten Teil der Zivilgesellschaft.

2. Warum die Zivilgesellschaft wichtig ist

Die Zivilgesellschaft spielt eine entscheidende Rolle und ist der Demokratie förderlich, indem sie als Raum für bürgerschaftliches Engagement und demokratische Partizipation dient. Durch zivilgesellschaftliche Organisationen werden lebensnahe Kommunikations- und Beteiligungsräume geschaffen, die für die Menschen vor Ort leicht zugänglich sind. Diese Organisationen ermöglichen es den Menschen, aktiv an gesellschaftlichen Prozessen teilzunehmen, ihre Anliegen einzubringen und sich für das Gemeinwohl einzusetzen.

Darüber hinaus kann die Zivilgesellschaft auch als Korrektiv für staatliche Versäumnisse und Defizite wirken. Wenn staatliche Maßnahmen unzureichend oder unangemessen sind, können zivilgesellschaftliche Organisationen alternative Lösungen anbieten und soziale Bedürfnisse gezielt angehen. Sie können auch als Sprachrohr für marginalisierte Gruppen dienen und deren Anliegen in die öffentliche Debatte einbringen.

Insgesamt fungiert die Zivilgesellschaft als kritischer Akteur, der die Demokratie unterstützt, indem er den Zusammenhalt in der Gesellschaft fördert, die politische Kultur stärkt und demokratische Werte und Prinzipien verbreitet. Durch ihre vielfältigen Aktivitäten und ihr Engagement trägt sie dazu bei, demokratische Defizite anzugehen, extremistischen Tendenzen entgegenzuwirken und die Resilienz der Gesellschaft gegenüber Krisen zu stärken.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Zivilgesellschaft allein keine umfassenden Lösungen für die Herausforderungen der Krisen bieten kann, da sie auf Kooperation und Zusammenarbeit mit anderen gesellschaftlichen Akteuren angewiesen ist. Eine enge Zusammenarbeit zwischen staatlichen Institutionen, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft ist erforderlich, um nachhaltige Fortschritte bei der Demokratieförderung und der Bewältigung der vielfältigen inneren und äußeren Krisen unserer Zeit zu erzielen.

3. WONOS und die Zivilgesellschaft in Nordsachsen

Ein demokratisches und friedliches Miteinander ist ein hohes Gut. Dieses Gut ist gegenwärtig durch äußere und innere Krisen gefährdet: Äußere Krisen und die sich daraus ergebenden regionalen und individuellen Herausforderungen werden zusätzlich durch gleichzeitig auftretende innere Problemlagen (Polykrisen) verstärkt: Zu nennen ist etwa die zunehmende soziale Ungleichheit (z.B. von Vermögen), die demographische Entwicklung, die Altersversorgung, die Entwertung von Lebensleistungen durch politisch verursachte Biografiebrüche oder die Strukturschwäche der Daseinsvorsorge in ländlichen Regionen.

Ein solcher Rahmen fördert Verunsicherungen, empfundenen Kontrollverlust, Existenzangst, enttäuschte Wertschätzung, Misstrauen oder autoritär-rigorose Vorstellungen für Problemlösungen. Die bisweilen auch handfesten Auswirkungen dieser äußeren und inneren Krisen verdeutlichen Defizite, die mit den Ansprüchen eines an Toleranz, Freiheit, Gerechtigkeit, Teilhabe und Mitgestaltung orientierten demokratischen Gemeinwesens und Staates im Widerspruch stehen. Dies gilt nicht zuletzt für ländlich periphere Strukturen und Benachteiligte bzw. vom Abstieg bedrohte Sozialmilieus.

Der Grundgedanke einer möglichen Gegenstrategie ist daher der, dass eine Förderung der Zivilgesellschaft aktiv die Demokratieentwicklung unterstützt. Die in der Zivilgesellschaft möglich gemachten Selbstwirksamkeitserfahrungen, die individuelle Selbstermächtigung und nicht zuletzt das daraus gewinnbare Selbstvertrauen befördern das allgemeine Vertrauen ins demokratische System und seine Prozesse. Die im zivilgesellschaftlichen Engagement angelegten Elemente Freiwilligkeit, Öffentlichkeit, Pluralität und notwendige Kooperation führen im Zeitverlauf zu eindeutig positiven Effekten: Der Beteiligungs- und Möglichkeitsraum Zivilgesellschaft ist Inklusion, Integration und demokratischer Partizipation förderlich. Engagement schafft Vertrauen und sorgt für Verständigung zwischen Menschen, die sowohl Möglichkeiten der Beratung und Unterstützung als auch Möglichkeiten der Beteiligung und der Gemeinschaft bietet. Zustimmung zum und Vertrauen in das demokratische System sind bei denjenigen, die sich engagieren – und speziell bei jenen, die in diesem Engagement Verantwortung übernehmen – deutlich stärker ausgeprägt als in der Gesamtbevölkerung. Darüber hinaus kann die Zivilgesellschaft auch Krisensymptome sowie Verfehlungen und Leerstellen der staatlichen Daseinsvorsorge zu einem gewissen Grade substituieren und abfedern.